Was ist Merinowolle?

Merinowolle ist eine besonders hochwertige Form der (Schur-)Wolle. Sie wird von Merinoschafen gewonnen und zeichnet sich durch ihre besondere Feinheit und Weichheit aus.

Wolle ist ein natürliches Produkt und stammt in erster Linie von Schafen. Die Bezeichnung „reine Schurwolle“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass das Material zu 100 Prozent aus neuer (nicht recycelter) Wolle hergestellt wurde, die von lebenden Tieren stammt. Wie alle tierischen Fasern besteht die Wollfaser aus Keratin, also faserförmigen Proteinen, die auch menschliche Haare und Nägel bilden.

Wie fühlt sich Merinowolle an?

Merinowolle ist sehr fein und weich. Im Gegensatz zu herkömmlicher Schurwolle kratzt sie nicht und kann daher auch direkt auf der Haut getragen werden, zum Beispiel in Funktionsunterwäsche. Bei empfindlicher Haut kann es vorkommen, dass bei Bekleidung aus 100 Prozent Merino dennoch ein leichtes Kratzen bestehen bleibt – hier empfiehlt es sich, einen Materialmix zu verwenden, zum Beispiel Merino in Kombination mit Seide.

Auch kann es je nach Qualität der Merinowolle Unterschiede in der Feinheit geben. Qualitativ hochwertige Merinowolle hat eine andere Haptik als vergleichsweise minderwertigere. Generell kann man sagen: Je teurer das Produkt, desto besser ist in der Regel die Faserqualität.

Welche Eigenschaften hat Merinowolle?

Allein aus dem Aufbau der Merinofasern – fein, weich, stark gekräuselt, geschuppt, elastisch – resultieren ihre natürlichen, funktionalen Eigenschaften.

Die wichtigsten Eigenschaften und Vorteile von Merino:

  • kratzt nicht auf der Haut
  • isoliert gut gegen Kälte und auch Hitze
  • transportiert Feuchtigkeit
  • kann bis zu einem Drittel ihres Trockengewichts an Feuchtigkeit aufnehmen, ohne sich klamm anzufühlen
  • kühlt durch Verdunstungskälte bei warmen Temperaturen
  • wärmt auch, wenn sie feucht ist (erzeugt aktiv Wärme, wenn sie Feuchtigkeit aufnimmt)
  • stinkt nicht (auch nach längerem Tragen) und muss daher seltener gewaschen werden
  • behält die Passform bzw. knittert kaum
  • ist schwer entflammbar (im Gegensatz zu anderen Fasern wie etwa Kunstfaser)
  • hat einen natürlichen Lichtschutzfaktor von bis zu 50 (je nach Dichte und Webart)
  • lädt sich nicht elektrostatisch auf (im Gegensatz zu synthetischen Materialien)
  • ist biologisch abbaubar (wie Wolle generell)

Merinowolle hat viele Vorteile. Wie sie sich in der Praxis bewähren, testet Bergzeit für Dich. Hier geht es zu unseren Merino-Testbeiträgen:

Das Fell des Merinoschafs besteht aus leichten, dünnen, atmungsaktiven Haaren, die die Sommerhitze erträglich machen. Im Winter wächst ihm eine Langhaarschicht, die es gegen Kälte wappnet. Im Vlies des Merinoschafs ist vor allem Flaumhaar vorhanden, ein besonders feines, stark gekräuseltes Haar, das dem Wärmeschutz der Tiere dient.

Was beim Schaf funktioniert, geht auch beim Menschen: Das Zwiebelprinzip des Schaffells wird von den Outdoor-Herstellern funktionaler Merinobekleidung in verschiedene Merino-Layer übertragen. Als unterste Schicht trägt man eine atmungsaktive, dünne und leichte Baselayer (meist in 150-Gramm-Stärke), darüber eine wärmende und isolierende zweite Schicht (Stärke ab 200 Gramm).

Warum kratzt Merino nicht?

Die Merinofaser besitzt eine durchschnittliche Faserstärke von lediglich 16,5 bis 24 Mikron (= Mikrometer, das heißt ein tausendstel Millimeter), wohingegen „normale“ Schafwolle für gewöhnlich doppelt so dick sein kann. Zum Vergleich: Menschliches Haar hat einen Durchmesser von etwa 30 Mikron. Kommen grobe Fasern mit der Haut in Kontakt, krümmen sie sich nicht, wodurch die Haarfollikel gereizt werden. Merinofasern sind jedoch so fein, dass ihre Berührung nicht als unangenehm empfunden wird. Denn die menschliche Empfindlichkeitsschwelle liegt bei etwa 25 Mikron. Das erklärt, warum herkömmliche Wolle kratzt, während sich Merinowolle angenehm weich auf der Haut anfühlt.

Warum wärmt Merinowolle so gut?

Wolltextilien sind bekannt für ihre guten Isolationseigenschaften. Dies trifft natürlich auch auf Merinowolle zu. Merinofasern sind stark gekräuselt und haben eine wellenartige Struktur. Bis zu vierzig Kräuselungen pro Zentimeter sind möglich. Dadurch liegen die Fasern sehr locker aufeinander und es entstehen Luftkammern, die die Körperwärme einschließen und zurückhalten. Durch die Kräuselung gibt es zudem weniger Kontaktpunkte zwischen Material und Haut, was dazu führt, dass weniger Wärme abgeleitet wird. Denn Luft leitet Wärme nur sehr schlecht, das Textilmaterial dagegen schon. Die eingesperrte Luft zwischen den Fasern verringert also den Wärmeaustausch im Material, speichert Körperwärme und wirkt somit isolierend nach außen – ob nun gegen Winterkälte oder Sommerhitze.

Ist Merinokleidung auch für den Sommer geeignet?

Kleidung aus Merinowolle kühlt bei warmen Temperaturen. Sie ist damit – am besten in der dünneren 150-Gramm-Stärke – auch für den Einsatz im Sommer gut geeignet, beispielsweise zum Wandern.

Die Erklärung: Wolle reguliert den Feuchtigkeitshaushalt und damit die Körpertemperatur. Die Fasern sind hygroskopisch, das heißt sie können Feuchtigkeit (in Form von Wasserdampf) binden. So leiten Wollfasern vom Körper produzierte Feuchtigkeit von der Haut weg, indem sie sie absorbieren und nach außen abgeben. Die Feuchtigkeit wird dabei zwischenzeitlich in der Faser bzw. zwischen den Fasern eingelagert. Die Faseroberfläche bleibt jedoch trocken. So kann Wolle große Mengen an Feuchtigkeit aufnehmen (bis zu einem Drittel ihres eigenen Trockengewichts), ohne dass sich das Material klamm anfühlt.

Warme Umgebungsluft führt im nächsten Schritt dazu, dass das Material schneller wieder trocknet. Dabei entsteht kühlende Verdunstungskälte, die das Tragen von Merinokleidung im Sommer sehr angenehm macht. Zusätzlich wirken die zuvor beschriebenen Luftkammern zwischen den Fasern auch bei warmen Temperaturen isolierend gegen die Wärme von außen.

Merino-Kleidung gibt es mittlerweile auch in unterschiedlichen Stärken und so findet sich für jeden Sport und jede Saison das passende Merino-Teil.

Wieso wärmt Wolle auch im feuchten Zustand?

Die Eigenschaft der Wolle, rund ein Drittel ihres Eigengewichts an Feuchtigkeit aufnehmen zu können, ohne sich feucht anzufühlen, erweist sich auch bei kalten Temperaturen als positiv. Während der Wasserdampf im Faserinneren absorbiert wird, stößt die Faseroberfläche Wasser (zum Beispiel Regentropfen) ab. Das Material bleibt trocken, was eine wichtige Voraussetzung für ein wärmendes Körpergefühl ist.

Außerdem erzeugen Merinofasern Wärme, wenn sie Feuchtigkeit aufnehmen. Bei der Feuchtigkeitsaufnahme entsteht in einem exothermischen Prozess sogenannte Absorptionswärme: Die polaren Molekülgruppen der Fasern kollidieren mit den Wassermolekülen, was Energie freisetzt. Dieser Prozess funktioniert solange, bis die Fasern mit Wassermolekülen gesättigt sind. Die Temperaturerhöhung des Materials kann dabei je nach Faserqualität bis zu zehn Grad betragen, abhängig von der Absorptionsfähigkeit der Fasern und der Absorptionsgeschwindigkeit.

Wolle wärmt also aktiv, solange sie Feuchtigkeit aufnimmt. Um das Wärmepotenzial maximal auszuschöpfen, macht es Sinn, darauf zu achten, dass das Kleidungsstück aus Merinowolle vor dem Tragen komplett trocken ist. Meist kann man jedoch nicht genau sagen, wie trocken das Material wirklich ist, da es sich von außen nicht unbedingt feucht anfühlt.

Warum riecht Merino nicht?

Wolle besitzt eine schuppige Oberfläche, die man sich wie Dachziegel vorstellen kann. Auch wenn es widersprüchlich klingt, können sich Bakterien auf dieser schuppigen Oberfläche tatsächlich schwerer halten als zum Beispiel auf glatten Synthetikfasern. Weniger Bakterien, weniger Geruch.

Zum anderen nehmen Merinofasern Feuchtigkeit in Form von Wasserdampf auf, bevor sie auf der Hautoberfläche zu Schweiß kondensiert. Daher bildet sich insgesamt weniger Schweiß, der zu unangenehmem Geruch führen kann.

Ein weiterer wesentlicher Effekt ist die natürliche Selbstreinigungsfunktion der Wollfaser. Das Keratin, also das Faserprotein in der Wolle, baut die geruchsverursachenden Bakterien auf der Haut ab. Der Kern der Wollfaser besteht aus zwei Zelltypen, die unterschiedlich viel Feuchtigkeit aufnehmen können und dadurch unterschiedlich stark anschwellen. Der dabei entstehende Reibungsprozess bewirkt einen mechanischen Selbstreinigungseffekt. Aus diesem Grund muss Wollbekleidung – egal ob aus „normaler“ oder Merinowolle – auch nicht so häufig gewaschen werden und man kann sie lange tragen.

Wie wäscht bzw. reinigt man Merinowolle?

Merinokleidung muss wie auch Bekleidung aus Wolle generell nicht oft gewaschen werden. In der Regel reicht es, das Kleidungsstück einfach auszulüften – am besten bei feuchter Witterung draußen. Dann greift der im vorherigen Abschnitt beschriebene Selbstreinigungseffekt der Faser.

Funktionskleidung: Merino-Mix mit Kunstfaser

Merinowolle kann in Funktionsunterwäsche zum Einsatz kommen (etwa in Skiunterwäsche), aber auch in Midlayern wie Fleecejacken und Fleecepullovern und sogar in der dritten Lage wie bei der Ortovox Guardian Shell, einer Hardshelljacke und -hose mit vollflächiger Merino-Laminierung auf der Innenseite (hier geht’s zum Testbericht der Ortovox Guardian Shell).

Die Merinofaser wird von den Herstellern gerne mit anderen, zum Teil synthetischen, Materialien zu innovativen Produkten kombiniert. Das erhöht die Funktionalität des Materials, indem es die Vorteile der synthetischen Fasern mit denen von Merinowolle vereint.

Ein Materialmix mit Kunstfasern kann das Merino-Material noch angenehmer auf der Haut machen, was besonders für Menschen mit einer sehr empfindlichen Reizwahrnehmung eine Option ist. Außerdem wird Merinowolle durch die Kombination mit Elasthan, Polyester oder Lycra noch strapazierfähiger und reißfester. Zudem trocknen Merino-Kunstfaser-Gemische schneller und verbessern den Feuchtigkeitstransport.

Neben Kunstfaser setzen manche Hersteller auch auf die Kombination von Wolle mit weiteren Naturfasern wie Seide oder Viskose, um die Haptik und das Tragegefühl, aber auch die Stabilität des Stoffes zu verbessern.

Aber natürlich findet man nach wie vor auch Produkte aus 100 Prozent Wolle, insbesondere bei den Baselayern.

Woher kommt die Merinowolle?

Merinoschafe gibt es an vielen Orten auf der Welt, ein großer Teil weidet in Australien und Neuseeland, aber auch in Südamerika und Südafrika gibt es Merinofarmen. Die Schafe können bis zu zwei Mal im Jahr geschoren werden.

Beim Ursprung der Wolle liegt auch ihre Kehrseite. Insbesondere der australischen Wollindustrie wird vorgeworfen, ihre Tiere einer schmerzhaften Behandlung zu unterziehen, die einem Parasitenbefall vorbeugen soll – das sogenannte Mulesing.

Verantwortungsbewusste, auf Tierschutz und Qualität achtende Markenhersteller von Merinobekleidung wenden sich gegen diese umstrittene Praktik, indem sie ausschließlich Merinowolle aus zertifizierten Zulieferbetrieben kaufen, in denen kein Mulesing angewendet wird. Nur eine strenge Herkunftskontrolle der Merinowolle ermöglicht, Mulesing-freie Schafzucht zu garantieren. Die meisten Merino-Hersteller im Outdoorbereich informieren auf ihren Webseiten über die Herkunft der Wolle.

Auch der Preis lässt Rückschlüsse auf das Produktionsverfahren zu. Grundsätzlich ist es immer zu empfehlen, von Markenherstellern zu kaufen, die sich für Qualität und ethisch korrekte Wolle einsetzen und engen Kontakt zu den Farmern pflegen.

Fazit zur Merinowolle

Wolle ist ein zu 100 Prozent natürlicher und nachwachsender Rohstoff mit vielen Vorteilen. Aufgrund ihrer Feinheit und weichen Haptik ist Merinowolle sehr beliebt und wird dank ihrer zahlreichen funktionalen Eigenschaften von Outdoorherstellern vorwiegend in Funktionsunterwäsche und Midlayern eingesetzt.

Doch es ist wichtig, auf die Herkunft der Wolle zu achten. Qualität und Produktionsbedingungen schlagen sich auch im Preis nieder. Günstige Merinoprodukte im Billigmarkt sind daher mit Skepsis zu betrachten. Vorzuziehen sind Markenhersteller, die auf die Qualität und die Herkunft der Wolle achten.